Story
3:
ANTON STEPHAN
REYNTJES
10
b – donnerstags, 4. Stunde: Religion
„Okay!
Alles klar? Wie denn? Noch Fragen? Ich fasse zusammen: Diese Erfahrung kostete
also? Bärbel, gehst du mal an die Tafel? Schreib' bitte untereinander:
1.
Einsatz des Notarztwagens: 487 DM
2.
Krankenhausrechnung: 656 DM
3.
Arztrechnung (privat!): 368 DM."
Aus
der Klasse: "Boah, boahey, ist das aber alles teuer!" - "Was die Ärzte da dran
verdienen!"
Die
Lehrerin bittet: "Zieh mal einen Strich darunter, bitte. Das macht
zusammen?"
Bärbel
rechnet laut: "1511 DM."
*
Frau
Steinberg hatte von einer Studentin erzählt, die eingeladen war bei neuen
Freunden, die einen netten Nachmittag, na, seien wir ehrlich: eine kleine
Haschparty, organisiert hatten, an der Uni GÖ, wo sie fürs erste Semester Musik
und katholische Theologie eingestiegen war.
Es
gab dreimal was zu probieren, Hasch als Joint, als Plätzchen und im Tee.
Da
war es um die Studentin geschehen. Ob sie zu viel geknabbert hatte, oder ob es
ihr aus irgendeinem anderen Grund schlecht erging - ihr wurde schrecklich übel,
sie fiel sogar in Ohnmacht; ihr Pulsschlag war ganz schwach, der Kreislauf ging
in die Knie, und Krämpfe schüttelten ihren Körper. Sie war nicht mehr
ansprechbar, und auch die erfahrenen Hasch-Hasen wußten nicht mehr weiter, als
dumm kucken und abwarten.
Eine
Freundin verließ sich nicht auf die Ratschläge "Abwarten! Tee trinken! Wird schon!", sondern
rief den Notarztwagen an. Und die junge Frau wurde sofort ins Krankenhaus
eingeliefert. Nach dem Auspumpen des Magens war sie außer Gefahr, und dann
stabilisierte sich ihr Kreislauf, und am übernächsten Tag wurde sie entlassen.
Vor
ihren Eltern hielt sie dieses Abenteuer geheim; sie wohnte ja auch in einer
anderen Stadt - bis die Rechnungen per Post zu Hause bei den Alten eintrafen,
und die Mutter sich ans Telefon hängte und die Tochter darüber befragte...
*
Gedacht
war die Stunde so: Die Diskussion war eröffnet: Stichworte genug:
Alltagsdrogen, neue Drogen, Drogenmonopol der arrivierten Bürger: Saufen und
Rauchen und wieder Saufen, egal auf der Kirchweih, bei der Erstkommunion, am
Kolpingsabend oder bei der Ausländerhatz! Kriminalisierung. Und psychische und
materielle Verelendung der Drogennutzer. Beschaffungskriminalität. Todesraten
bei harten Drogen... Da steht vieles auf der Kippe.
*
Einer
formuliert was, da staunen alle: „Frau Steinberg, haben Sie schon je davon
gehört, daß einige Haschbrüderlein während oder nach ihrem Drogenkonsum auf die
Straßen gezogen sind und dort Ausländer oder Berber aufgeklatscht haben?“
„Was
willst du damit sagen, Jens?“
„Ja,
schauen Sie doch mal in die Nachrichten: Das sind Idioten, die sich voll saufen
und dann durch die Straßen ziehen und vom Pöbelvolk noch Beifall kriegen oder
zumindest heimliche Bewunderung.“
Da,
ein Finger noch.
"Ja,
Anke?" - "Ich würde nichts dafür bezahlen!"
"Wofür?"
- "Für alles, den ganzen Aufwand
mit den Kosten da im Krankenhaus." - "Ja, weil deine Eltern es ja
bezahlen müssen. Übrigens wohl nicht die Krankenkasse! Ich weiß nicht, ob die
dafür aufkommt.
"Nein,
ich mein es anders: Ich würde einen
falschen Namen angeben im Krankenhaus."
"Aber
du wärst ja besinnungslos gewesen."
"Die
anderen hätten mich eben mit einem falschen Namen ins Krankenhaus einliefern
lassen müssen. So viel Solidarität muß sein, beim Haschvölkchen."
Kichern
in der Klasse.
"Und
du wärst am nächsten Tag von dort aus verschwunden, so mir nichts, dir nichts?
Und hättest dich gefreut: Sollen die Mediziner doch selbst für ihre Kosten
aufkommen?"
"Na
ja, weiß nicht mehr so recht!"
"Und
denk mal weiter: Von wo ist der Notarztwagen denn abgefahren, mit dir
Schlaumeier auf der Trage?"
"Mhm.
Stimmt: Die würden natürlich dort nachfragen, wo der Einsatz erfolgte."
"Und
so weiter, Mädchen! So klappt es also
nicht."
*
Noch fünf Minuten? Was nun? Na - Ergebnissicherung!
"Wer
formuliert nun mal, was wir heute in einem besonderen Aufklärungs- und
Mathestündchen gelernt haben? Tabea, ja, du, bitte? – Oder? Du hast gerade
keine Zeit? – Na, Selma, und du?"
Selma:
"Vier Haschplätzchen kosten 1511 DM."
Markus:
"Können kosten!"
"Könner
-" "Halt Klappe, Tommy!"
"Und
Peter? Was meinst du?"
"Nicht
jeder verträgt Hasch."
Pietro:
"Man muß es eben probieren!"
Lachen!
Querdurch!
"Plus
was noch? Ja, Heike? Was kommt noch hinzu?"
"Der
Ärger mit den Eltern. Unangenehme Gespräche über Rechnungen!"
"Und
in der Religionsstunde: Rechenaufgaben!"
"Ja,
du mußt mit allem rechnen bei mir, Wolfgang! Aber du kannst mir helfen: Was
soll ich ins Klassenbuch schreiben?"
"Äh,
weiß nicht! Das kann der Hans so gut: schleimen!"
„Na,
na!“
"Ja,
du, Wiebke?"
"Geht
das: ritueller Konsum von
Drogen?"
„Ja
doch! Frau Bergstein! Is dattan noch Reli. Äh. Sach ma mia - woher dat Zeuch
kriegen, ohne mit Bullen auffer Matte!“
„Dattat
wä doch nomma spannend. Wa! Jungs!“
*
Diskussion
in der Mädchentoilette, Zelle dreizehn: Selma und Tabea:
Is doch wie überall: Selbstberuhigung mit
einfachen Mitteln: Lebensverlangsamung. Selbststillung. Gebet, Zeremonien,
Ausschluß von Wirklichkeit. Ergebenheitssendung. Pharisäer. Pharisäer-in, mein ich! Komm, lass dich knutschen!
Und andere, die ein anderes Tempo drauf
haben? - Sei nicht so melancholisch! -
Die können gleich vorbeibrettern. Haben doch eh‘ zu viel Tempo drauf. Werd’n
schon in die Grube sausen.
Deren Alte selber, von der war das
Haschkindchen!
Wieso? Was? Das Mädchen da, mit dem
Notarzt? - Das sich da vollstopfen ließ.
Ja, der Reli-Oberstudienrätin die eigene
Tochter!
Woher weißt’n dat? - Dann hätte die uns
dat nich erzählt! – Glaub ich nich. – Soll ich anrufen! – Quatsch!
Aber weiß ja auch kaum ein Schwein. Was
da passiert ist. Die sind da wohl alle auf Suche: Mamamia. Mutter und Tochter!
Und was suchst du? – Dich Selma! Dass du mich tröstet! Kannste so gut. Komm, leih mir
deinen Pulli.
Und wir schwänzen den Mathe-Erich!
Und wohin? – Nur raus, hier aus dem Pinkel!
Aber wär doch ma attraktiv für die
Besucherzahlen?
Was?
Weihrauch und Wein – dat kann et doch
nich sein!
Was?
Na, Doping beim Pastor Klinger.
Seine Haushälterin, die würd‘ mitmachen.
Und erst ihr Söhnchen!
Wie geht’s dir eigentlich mit dem Thomas?
Betriebsgeheimnis, liebes Mädchen. – Kuck nich so dumm. Auf Hellas Fete, nächsten Dienstag, da mußte aufpassen.
*
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